Interview mit Frau Ursula Mayer, Redakteurin vom Hessischen Rundfunk und Herrn Rechtsanwalt und Avvocato Dr. Reiß

Frau Mayer: Um welchen Verdacht/welche Verdachtspunkte geht es denn ganz konkret?

Herr Dr. Reiß: Es handelt sich um den Verdacht der Zinsmanipulationen, der Bilanzfälschungen und der Behinderung der Aufsichtsbehörden.

Frau Mayer: Wie viele Belege gibt es da im Moment? Kann man das sagen?


Herr Dr. Reiß: Nein, denn das italienische Strafrecht läuft anders ab als das deutsche Strafrecht. Wir haben hier die Beteiligten. Die Beteiligten waren tausende von Sparern und die neue Führung der Monte dei Paschi di Siena, die ja auch involviert ist. Die haben die Strafanzeige gestellt und sich nach italienischem Recht als Zivilpartei im Strafrecht bestellt – etwas skurril aus deutscher Sicht. Hier wurde in den Vorverhandlungen ein Vergleich schon mit der Staatsanwaltschaft ausgehandelt in Höhe von 600.000,00 € Strafe, die von den Beteiligten vereinbart wurde und es wurden noch 10 Mio. der angelegten Gelder konfisziert als Sicherheit sozusagen für weitere Schadensersatzforderungen in einem sich anschließenden reinen Zivilhaftungsprozess.

Frau Mayer unterbricht kurz und stellt eine Frage: Die Bank Monte dei Paschi ist nicht mehr vor Gericht, nur die jeweiligen Mitarbeiter?

Herr Dr. Reiß: Genau, die ehemaligen Mitarbeiter und die neue Führung möchte das natürlich wegbringen und im Strafrecht werden ja nicht die Banken als solche verurteilt – die Bank kann ja nicht ins Gefängnis gehen – sondern es können immer nur einzelne Personen, die für die Banken handeln, strafrechtlich belangt werden. Und die neue Führung möchte eben damit nichts zu tun haben. Da aber die Forderung zivilrechtlicher Natur gegen das schädigende Institut wiederum geht, will die Bank das einfach bereinigt haben. Das hat sie ja auch getan. Und diese Vorverhandlungen in dieser zivilen Deckelung von Schadensersatzanforderungen innerhalb eines Strafprozesses – da komme ich jetzt wieder auf Ihre Frage zurück – bedeutet natürlich, dass hier nicht nur ein Anfangsverdacht besteht, sondern offenbar auch ein konkretes Beweismaterial vorliegt seitens der Staatsanwaltschaft, denn sonst hätte keine Bank der Welt 600.000,00 € plus 10 Mio. Sicherheitsleistungen akzeptiert als Vergleich mit der Staatsanwaltschaft.

Frau Mayer: Ok, dann möchte ich Sie noch einmal fragen: Was glauben Sie – Sie sind ja Experte für italienisches Recht – kann man sagen, die Strafen könnten drastischer ausfallen in Italien?

Herr Dr. Reiß: Ja, also wir haben das noch einmal kurz zusammengestellt und wir haben hier für die einzelnen Delikte Zinsmanipulation eine Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren, für Bilanzfälschung ist eine Gefängnisstrafe von drei bis acht Jahren vorgesehen und zwar für börsennotierte Unternehmen – und es ist eine börsennotierte Unternehmung, für die sie ja tätig wurden – und dann haben wir noch das dritte Delikt, das waren die Behinderungen der Aufsichtsbehörden. Hier haben wir auch eine Verdoppelung der möglichen Strafe, nicht von eins bis vier, sondern von zwei bis acht Jahren Gefängnis. Dann wird hier eine Gesamtstrafe gebildet, je nach Schwere des Vorwurfs, sodass hier eine Gefängnisstrafe über zwei Jahre durchaus und damit außerhalb der Bewährungsmöglichkeit, im Raum steht. Folglich droht wirklich eine Gefängnisstrafe für die einzelnen Beteiligten. Je nachdem wie stark sie daran beteiligt waren, insbesondere für Herrn Dunbar - das ist der Managing Director. Der ist natürlich besonders betroffen.

Frau Mayer: Ok und Fakt ist natürlich auch, dass die Staatsanwaltschaft schon recht lange ermittelt in diesem Fall.

Herr Dr. Reiß: Ja, die Staatsanwaltschaft ermittelt schon seit anderthalb Jahren in dieser Sache und jetzt, nachdem dieser Vergleich, was im Prinzip schon eine Art partielles Schuldgeständnis ist, vorliegt, werden die einzelnen Personen im Strafverfahren offiziell angeklagt und „ihnen der Prozess gemacht“ – ich sage es mal ganz unjuristisch. Betroffen ist hier auch die Deutsche Bank in Frankfurt und die Filiale in London. Die hatten ja schon ein Vorgespräch geführt und es ist so, dass dieser ganze Skandal nicht nur in Börsenzeitungen – da hatten wir es erst einmal gelesen – oder Fachzeitschriften, sondern auch in den normalen Zeitschriften, also in der Corriere della Sera, das ist so etwas wie die FAZ oder Repubblica, so etwas wie die Süddeutsche sage ich jetzt mal, durchaus eine ordentliche Beachtung erhält.

Frau Mayer: Ok und noch einmal, es waren 13 Mitarbeiter, die insgesamt vor Gericht stehen, nicht?

Herr Dr. Reiß: Es sind 13 insgesamt angeklagt, davon sechs von der Deutschen Bank.

Frau Mayer: Wird sich der Prozess dann relativ lange hinziehen?

Herr Dr. Reiß: Der wird sich in Italien sehr lange hinziehen, denn in Italien weiß man – ganz gleich ob das ein Zivilverfahren oder Strafverfahren darstellt – dass diese Verfahren wesentlich länger dauern als in Deutschland, zumal wenn Verteidiger bestellt werden und hier sehr viele Verhandlungstage anfallen. Also kann es sich schon eine sehr lange Zeit hinziehen.

Frau Mayer:Ok, Danke. Vielen Dank

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